Stealthing: Warum das heimliche Abstreifen des Kondoms alles andere als ein Kavaliersdelikt ist

24/05/2021
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Als „Stealthing“ wird das Entfernen des Kondoms ohne Einwilligung der Sexualpartnerin/des Sexualpartners bezeichnet. Das Kondom wird also heimlich und absichtlich während des Geschlechtsverkehrs abgestreift, obwohl die Partnerin/der Partner nur in geschützten Sex eingewilligt hat. Die Opfer von Stealthing gehen unwissentlich das Risiko einer ungewollten Schwangerschaft und/oder einer sexuell übertragbaren Infektion (STI) ein – bloß weil der Sexualpartner seine Lust oder Erregung steigern will. Stealthing ist beispielsweise in Kanada und Deutschland strafbar und wird als Form des sexuellen Übergriffs angesehen, ähnlich wie Vergewaltigung.

2016 wurde das Sexualstrafrecht in Deutschland geändert, um der sexuellen Selbstbestimmung größeres Gewicht zu verleihen. Seither wurde ein 36-jähriger Polizist im ersten deutschen Stealthing-Prozess von einem Berliner Amtsgericht des sexuellen Übergriffs für schuldig befunden. Das Opfer hatte „ausdrücklich verlangt“, dass der Mann ein Kondom benutzen solle, und keine Einwilligung zu ungeschütztem Sex gegeben. Erst nachdem der Mann ejakuliert hatte, bemerkte das Opfer, dass er kein Kondom trug. Der Angeklagte wurde zu einem Schmerzensgeld von 3000 € und zur Erstattung der 96 € für eine ärztliche Untersuchung sowie zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt.

Die Masche des Stealthing ist nicht neu. Der Begriff wurde seit 2014 zunächst von der Schwulen-Community verwendet. In jedem Fall handelt es sich um einen schweren Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung und eine Form des Missbrauchs. In Beziehungen unter Erwachsenen wird das Thema Kondom oft durch die männlichen Partner abgelehnt. Dies liegt zum einen daran, dass weibliche Partner nicht die richtigen Argumente anbringen, und zum anderen an einem Gefühl des Zwangs und der Angst vor der Reaktion des Kondomverwenders. Damit dies nicht passiert, ist es wichtig, schwulen und heterosexuellen Männern zu vermitteln, dass sie vom Tragen eines Kondoms profitieren.

Eine jüngst durchgeführte Studie in den USA ergab, dass „10 % der jungen männlichen Befragten mit unproblematischem Alkoholkonsum das Entfernen des Kondoms ohne Einwilligung des Partners seit dem Alter von 14 Jahren praktizieren. Bei Männern, die Stealthing praktizieren, wurden mehr sexuell übertragbare Infektionen diagnostiziert und sie hatten öfter Partnerinnen mit ungeplanten Schwangerschaften als Männer, die das Kondom nicht heimlich abstreiften“.1 In einer anderen aktuellen Studie gaben „12 % [der jungen erwachsenen Frauen] an, schon einmal Opfer von Stealthing geworden zu sein, während keine der Befragten angab, selbst schon einmal ohne Einwilligung ein Kondom entfernt zu haben“.1

Stealthing wird zwar überwiegend von Männern begangen, aber es kommt auch vor, dass Frauen das Kondom ihrer Partner ohne deren Einverständnis abziehen oder beschädigen.

Was du tun kannst, wenn du Opfer von Stealthing bist

Viele Opfer berichten, dass sie sich hintergangen fühlen und unter dem Vertrauensbruch leiden. Wichtig ist aber vor allem, dass es niemals die Schuld des Opfers ist. 2018 wurde ein Mann in Deutschland des sexuellen Übergriffs für schuldig befunden. Es war die erste Verurteilung für Stealthing im Land. Im Nachbarland Schweiz urteilte das höchste Gericht anders und stufte einen ähnlichen Vorfall als verwerflich, aber nicht illegal ein.

Welche rechtlichen Schritte dir als Opfer offenstehen, hängt somit stark davon ab, in welchem Land du lebst. Wenn du Anzeige erstatten möchtest, geh zur örtlichen Polizeiwache, damit Untersuchungen zur Beweissicherung durchgeführt werden können. Selbst wenn eine Anzeige keine Option ist, kannst du trotzdem eine Zivilklage anstreben. In jedem Fall ist es wichtig, dass wir die Dinge selbst in die Hand nehmen, indem wir uns testen lassen, indem wir Personen, die uns schaden, aus unserem Leben verbannen und indem wir offen kommunizieren und Grenzen setzen. Häufig sind die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit am größten. Wenn dies auf dich zutrifft, versuche, dich nicht zurückzuziehen. Sprich mit einer Freundin/einem Freund oder einem Therapeuten oder ruf bei einer Hotline für Vergewaltigungsopfer an.

Wenn du Opfer von Stealthing geworden bist und nicht weißt, an wen du dich wenden kannst, kontaktiere eine Beratungsstelle oder Hotline für Opfer sexueller Übergriffe. Rate auch Opfern aus deinem Bekanntenkreis dazu, sich helfen zu lassen.

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